Die alte Schwamendinger Schule

Schulen und Schulmeister gab es im Kanton Zürich schon in sehr früher Zeit. Aber sie waren nicht für alle da. Während der Jugendunterricht in Städten wie Zürich, Winterthur oder Regensberg schon im Mittelalter in grosser Achtung stand, wuchsen noch im 17. Jahrhundert auf der Landschaft viele Kinder «wie Rösser und Maultiere auf, die keinen Verstand haben».

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Das Heinrich-Bosshard-Schulhaus

Ersten Auftrieb erhielt das allgemeine Schulwesen durch die Reformation. Als wichtigstes Mittel zur Verbreitung der neuen Glaubenslehre stellte Huldrych Zwingli die Schule «als treue Magd der Kirche» unter die Obhut des Staates. Der Pfarrer wurde angehalten, neben der Predigt auch im Jugendunterricht die neue Lehre zu festigen. Sicher werden verschiedene Schwamendinger Pfarrer, wie etwa Zwinglis Schwiegersohn Gwalter, dieser Weisunggemäss in unserer Gemeinde schon früh Schulunterricht erteilt haben. Auch fortschrittlich denkende Vögte und Landschreiber begannen in jener Zeit, die Jugend mit mehr oder weniger Geschick zu unterrichten. Doch es blieb in der Regel bei einzelnen Versuchen, denn der allgemeine Geldmangel auf der Landschaft war der Hauptgrund, weshalb alle wohlgemeinten Schulordnungen bis zur Franzosenzeit auf dem Papier blieben.

Schwamendingen machte in dieser Beziehung eine löbliche Ausnahme. 1715 berichtete der die Gemeinden Oerlikon und Schwamendingen versehende Geistliche Johann Kaspar Huber: «In Schwamendingen haltet man dafür, dass hier die Schule schon zur Zeit der Reformation oder doch bald nachher seye angehebt worden.»

Für die Jahre 1624/25 wird hier erstmals ein amtierender Schulmeister genannt. Es war der Wanderlehrer Jakob Schön von Flums, dem im Hause eines Rudi Benz das Bett und zwei Kleider mit «blunder» und Kleider verbrannten.

Dieser Jakob Schön wird nicht der erste Schwamendinger Schulmeister gewesen sein. In den Grossmünster-Urbarien des 16. und 17. Jahrhunderts wurde festgehalten, dass gewisse Teile der Widum- oder Nikolaus-Hub in Schwarnendingen an den «spilhoff vor dem bach» grenzten. Wie in anderen Gemeinden (z.B. Stäfa) nachgewiesen ist, kann dieser «spilhoff» nichts anderes als ein eingezäunter Spiel- oder Tummelplatz der Schuljugend gewesen sein.

Anfang 1627 legte das Grossmünsterstift 23 Gulden aus für «6 nöuwe stubenfenster mit den rarnen, stänglinen, item 1 yssene fallen (eisernem Türgriff), 2 handthaben zu stubenthür, im schulhus zu Schwamendingen». In dieser Abrechnung, die sich heute im Staatsarchiv befindet, wird das Schwamendinger Schulhaus erstmals namentlich erwähnt. Es handelt sich um das heutige Haus Hüttenkopfstrasse 14, an dem die genannte Fensterreihe noch immer zu sehen ist.

1655 wurde auf des damaligen Schulmeisters vielfaches Bitten hin ein «klein Schürlein» samt einem Stall gegen die Gasse hin (also an Stelle der heutigen Scheune) dem Schulhaus angefügt, damit der Schulmeister «syn vych unnd fuetter besser versorgen könne». 1672 erfolgte die Ausbesserung des Schulhauses, wozu das Stift «viele Stumpen Holz» spendete.

Im Jahre 1771 versandte die «Moralische Gesellschaft» zu Zürich an alle Land-Geistlichen ein gedrucktes Formular mit 81 Fragen über das Schulwesen. Aus Schwamendingen erhielt man nicht nur den Bericht des Pfarrers, sondern auch einen des damaligen Lehrers Hans Jakob Burri, der als führender Kopf der alten Schule galt. Nach seinem Bericht ging man etwa Mitte des 18. Jahrhunderts dazu über, die Jugend von 6 bis 12 Jahren das ganze Jahr täglich zu unterrichten. Ferien gab es nur zur Zeit der Getreideernte und an Jahrmarkttagen, im ganzen 3 bis 4 Wochen. Der Unterricht dauerte von 8 bis 11 Uhr und von 13 bis 15 oder 16 Uhr. Anfang Winter 1771 zählte die Schwarnendinger Schule 83 Schüler, von denen etwa der dritte Teil aus Oerlikon kam.

Der Hauptteil des Lehrer-Einkommens machte das Schulgeld aus. Jedes Kind musste dem Lehrer wöchentlich 1 Schilling 3 Heller entrichten. Für die Armen übernahm das Kirchengut das Schulgeld. Da das Einkommen des Lehrers mit der Schülerzahl stieg, wehrte er sich, wenn eine kleine Nebengemeinde eine eigene Schule gründen wollte, wie dies im Jahre 1797 Oerlikon einmal versucht hatte.

Zum Einkommen des Lehrers brachten Hochzeiten und Begräbnisse oft einen kleinen Zuschuss, da der Schwamendinger Schulmeister den in der Stadt wohnenden Ortsgeistlichen manchmal vertrat. Bei Beerdingungen unter der Woche hielt er die Abdankung, bei Hochzeiten trat er als Dirigent des Schülerchors, oftmals auch als Hochzeitsmusikant auf. War der Bräutigam ein Schwamendinger oder Oerliker, erhielt der Lehrer einen «Kopf» (3 Liter) Wein und durfte am Fest teilnehmen. Wenn der Bräutigam aus einer anderen Gemeinde stammte, bekam der Lehrer für seine Funktion 24 Schilling, einen «Hochsigmeien» und ein Schnupftuch.

Aus der Reihe der Schwamendinger Lehrer seien einige Namen besonders hervorgehoben. Der erste Schulmeister, von dem wir wissen, dass er aus der Gemeinde selber stammte, war Hans Wüst, der sein Amt schon mit 16 Jahren antrat. Nach dem Tode seiner Eltern bewirtschaftete er das ererbte Bauerngut und eröffnete als weitere Nebenbeschäftigung im Schulhaus eine Wirtschaft. Die Chorherren des Grossmünsters rügten, dass der Schwamendinger Lehrer «mit Wirten das junge Volck an sich und einzeuche». 1657 ermahnten sie ihn, «er solle fürhin weiters ein Schulmeister, aber nit ein winkelwirt, metzger, koch oder dergleichen sein oder müste endlich die Schul quitieren». 1671 verbot der zürcherische Rat alles weitere Weinausschenken und um Geld spielen im Schulhaus zu Schwamendingen. Obwohl Wüst seinen Schuldienst «zimlich fin» versah, verzichtete er 1674 auf das Lehramt und widmete sich seinen einträglicheren Nebenverdiensten.

Von 1754 an amtete der schon zitierte Hans Jakob Burri volle 46 Jahre an unserer Schule. Als er gewählt war, dankte der ihm vorgesetzte Pfarrer dem Himmel dafür, «dass er der Gemeinde ein so tüchtiges Subjektum gesehenket». Aus Visitationsberichten geht hervor, dass Burri nach Grundsätzen erzog, die erst in der modemen Schule Allgemeingut wurden, und zwischen almosengenössigen Kindern und denen des Kehlhofers keinen Unterschied machte.

Er musste es noch erleben, dass im Kriegsjahr 1799 fremdes Soldatenvolk ins Schulhaus und in seine Lehrerwohnung eindrang, ihm für 5 Gulden Hausrat verdarb und für 23 Gulden Lebensmittel raubte.

Dass die Oerlikoner mit der Schwamendinger Schule schon lange nicht mehr zufrieden waren, lag nicht in der Person des Schulmeisters begründet. Schon im Jahre 1797 hatten sie für die kleinen Schüler die man nicht so weit «durch eine äusserst schlechte und für dieses Alter unwandelbare Strasse schicken könne». eine «wilde» Winterschule eröffnet. Als aber der Erziehungsrat verlangte, dass Oerlikon den Schwamendinger Lehrer für den Ausfall entschädige, ging die Schule wieder ein. Erst 1827 stimmte der Erziehungsrat der Abtrennung zu, und Oerlikon musste bis zur Inbetriebnahme eines eigenen Schulhauses im Jahre 1833 für die Mitbenützung des Schwamendinger Schulhauses einen jährlichen Zins von 15 Gulden entrichten. Auch in Schwamendingen war man in der Zwischenzeit nicht untätig geblieben. 1823 wurde oberhalb der Kirche mit dem Bau eines neuen Schulhauses (heute Schulhaus Heinrich-Bosshard-Strasse) begonnen, das am 25. August 1825 festlich eingeweiht wurde.

Über die räumliche Trennung der Schulgemeinde Schwamendingen-Oerlikon durch den Bau eigener Schulhäuser schrieb der damalige Sekretär des kantonalen Baudepartements, F. Vogel: «In den Jahren 1822–1825 erbaute die Schulgemeinde Schwamendingen ein ganz neues Schulhaus von Stein, zwey Stockwerk hoch, das ohne Frohndienst und übrige Leistungen 8-9000 fl. kostete, an welche Summe das Stift einen  Beytrag von 300 fl. nebst Ueberlassung des Bauplatzes, der Staat ebenfalls einen Beytrag von 300 fl. leistete. Das Haus enthält im unteren Stockwerk eine grosse Schulstube, im oberen Stockwerk eine Gemeindestube und Lehrerwohnung. – Im Jahre 1833 erbaute die Gemeinde Oerlikon, die sich überhaupt in den letzten Zeiten ausgedehnt hat, ein neues Schulhaus, das ohne Frohndienst 2800 fl. kostete».